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Meldungen Corona-Krise

News zum Coronavirus

Bundesweite Notbremse steht unter Kritik

Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am 13. April. einen Gesetzentwurf für bundeseinheitliche, schärfere Corona-Regeln verabschiedet. Das Gesetz sieht durch Änderungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) das Inkrafttreten von bundeseinheitlichen Regelungen und Maßnahmen ab Überschreiten von bestimmten Schwellenwerten sowie eine Verordnungsermächtigung für den Bund vor, um ein bundeseinheitliches Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung sicherzustellen. 

Den Gesetzentwurf und unsere Bewertung überlassen wir Ihnen anliegend.

I. Inhalt 

1. Notbremse 

Es wird mit einem neuen § 28b IfSG eine bundesweit verbindliche Notbremse ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 je 100.000 Einwohner eingeführt. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die 7-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die im Gesetzentwurf vorgesehenen zusätzlichen Maßnahmen. Zu diesen zusätzlichen Maßnahmen zählen:

  • Kontaktbeschränkungen: Treffen sind nur noch zwischen einem Haushalt und einer weiteren Person zulässig. Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren zählen nicht mit.

  • Von 21 bis 5 Uhr morgens soll der Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung und eines dazugehörigen Gartens nicht erlaubt sein. Wer seinen Beruf ausüben oder Tiere versorgen muss, ist davon ausgenommen. Dasselbe gilt für einen medizinischen oder tiermedizinischen Notfall. 

  • Die Schließung von Freizeiteinrichtungen und kulturellen Einrichtungen.

  • Der Einzelhandel bleibt geschlossen. Ausgenommen werden soll aber der Lebensmitteleinzelhandel, zu dem auch unsere Bäckereien gehören. Des Weiteren sollen ausgenommen werden Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsfachmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte.

  • Es wird eine Quadratmeterzahlbegrenzung der Verkaufsflächen eingeführt: Für die ersten 800 Quadratmeter Gesamtverkaufsfläche soll eine Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden je 20 Quadratmeter Verkaufsfläche eingehalten werden. 

  • Eine Maskenpflicht im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. 

  • Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken dürfen ab Überschreiten des Schwellenwerts nicht zur Verfügung gestellt werden. 

  • Auch die Ausübung von Gastronomie ist grundsätzlich untersagt. Zulässig sollen aber die Abgabe und die Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken bleiben. Nicht-öffentliche Kantinen dürfen geöffnet bleiben, wenn deren Betrieb zur Aufrechterhaltung der Arbeitsabläufe zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn eine individuelle Speiseneinnahme nicht in getrennten Räumen möglich ist. 

Unterschreitet ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt ab dem Tag nach Eintreten der o.g. Maßnahmen an fünf aufeinander folgenden Tagen den Schwellenwert von einer Inzidenz von 100, sollen die o.g. Maßnahmen am übernächsten Tag außer Kraft treten.  

Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sind nach dem Gesetzentwurf bei Teilnahme am Präsenzunterricht zweimal in der Woche auf eine Coronainfektion zu testen. Überschreitet ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen einen Inzidenz-Schwellenwert von 200, müssen alle Schulen, Kitas, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen (bis auf Abschlussklassen und Förderschulen) ab dem übernächsten Tag geschlossen werden. Die zuständigen Stellen können nach von ihnen festgelegten Kriterien eine Notbetreuung einrichten.  

Weitergehende Schutzmaßnahmen der Bundesländer auf Grundlage des IfSG bleiben nach dem Gesetzentwurf unberührt. 

2. Verordnungsermächtigung für den Bund 

Die Bundesregierung wird durch den Gesetzentwurf ermächtigt, durch Rechtsverordnungen für Fälle, in denen die 7-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100 überschreitet, weitere Gebote und Verbote zu erlassen. Die Rechtsverordnungen können weitergehende Vorschriften und Maßnahmen des Infektionsschutzes, Erleichterungen oder Ausnahmen vorsehen. Auch besondere Regelungen für Personen, bei denen von einer Immunisierung auszugehen ist oder die ein negatives Testergebnis vorlegen können, können getroffen werden. Diese Rechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Die Zustimmung des Bundestags gilt als erteilt, wenn der Bundestag nicht binnen sieben Tage nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat. 

Die vorgenannten Maßnahmen sollen für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag gelten. Das soll auch für Rechtsverordnungen gelten, die von der Bundesregierung erlassen werden.   

3. Ausweitung der Kindkranktage  

Der Entwurf sieht ferner eine Ausweitung der Kindkranktage in § 45 Abs. 2a SGB V vor. Pro Kind besteht der Anspruch bei Schul- und Kitaschließungen für das Kalenderjahr 2021 längstens für 30 (statt wie bisher für 20) Arbeitstage, für Alleinerziehende für 60 (statt 40) Arbeitstage. Diese Änderung des SGB V tritt bereits mit Wirkung vom 18. Januar 2021 in Kraft, während das Gesetz im Übrigen am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt. 

II. Weiteres Gesetzgebungsverfahren 

Der Gesetzentwurf wird nach derzeitigem Stand in den nächsten Tagen vom Bundestag beraten. Er soll Mittwoch kommender Woche von Bundestag und kommenden Freitag vom Bundesrat verabschiedet werden und übernächste Woche in Kraft treten.  

III. Bewertung 

Am vergangenen Freitag-Abend kursierte der Gesetzentwurf für dieses „Notbremse“ genannte Vorhaben im politischen Berlin. Erst die 20-Uhr-Nachrichten am Samstag verbreiteten, dass Länder und Bundestag bis Sonntag, 12 Uhr Änderungswünsche vorlegen können. Das ist ein Vorgehen, wie wir es noch nie erlebt haben. Noch in der Nacht von Samstag auf Sonntag hat der Zentralverband Bundesminister, Fraktionsspitzen und weitere wichtige Entscheider angeschrieben; am Montag noch einmal alle Bundestagsabgeordneten, am Dienstag noch einmal die Fraktionsspitzen. 

Wir haben vor allem gefordert, auf die 20-qm-Grenze im Lebensmitteleinzelhandel zu verzichten. In mehreren Bundesländern gilt derzeit bei der Öffnung von Geschäften mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern in der ersten Stufe ein Richtwert von einer Kundin oder einem Kunden pro 10 Quadratmetern Verkaufsfläche. Wir haben den Gesetzgeber gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass mindestens die derzeitige 10-Quadratmeter-Regelung Gültigkeit behält. Wir haben in unseren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass unter einer 20-Quadratmeter-Regelung insbesondere kleine Betriebe leiden würden, die nicht über größere Verkaufsflächen verfügen. Eine Halbierung der Zahl der Kunden, die gleichzeitig im Geschäft bedient werden dürfen, würde bei Betrieben zu weiteren Umsatz- und Ertragseinbußen führen. Dies könnte Konsequenzen für den Fortbestand von Betrieben und Arbeitsplätzen haben. 

Weiter haben wir darauf hingewiesen, dass mit der von der Bundesregierung ursprünglich geplanten Regelung zur Lieferung von Speisen und Getränken jegliche Lieferung von Snacks und anderen Speisen in Betriebe und Privathaushalte verboten wäre. Mit Letzterem hatten wir Erfolg. Die Regelung ist ausführlicher und klarer und ermöglicht unseren Betrieben weiterhin dieses wichtige Geschäftsfeld. Die Grenze von einem Kunden je 20 qm Verkaufsfläche findet sich aber weiterhin im Gesetzentwurf. 

Des Weiteren haben wir gefordert, die Außengastronomie bundesweit – ggf. unter Auflagen – zu öffnen. Unser Argument: In den Medien wird seit Montag über ein Schreiben der führenden Aerosol-Forscher an die Bundes- und Landesregierungen berichtet. Das Schreiben ist hier abrufbar. Wenn, wie die führenden Aerosol-Forscher dort schreiben, als sicher gilt, dass der SARS-CoV-2-Erreger „fast ausnahmslos“ in Innenräumen übertragen wird, ist die Einschränkung der Außengastronomie in Cafés – jedenfalls in der gegenwärtigen Form – unverhältnismäßig und rechtswidrig. Mehrere Abgeordnete haben uns mitgeteilt, dass sie unserer Forderung zustimmen. Im Gesetzentwurf ist diese Forderung aber noch nicht umgesetzt. 

Stand: 15.04.2021