Der Deutsche Bundestag hat am 26. September 2024 das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) verabschiedet. Dem Gesetz ging ein mehrjähriger Erarbeitungs- und Diskussionsprozess voraus, in den sich der Zentralverband intensiv eingebracht hatte.
Bundesregierung und Bundestag haben dabei mehrere Vorschläge des Zentralverbandes aufgegriffen und umgesetzt:
- So ist in den Verkaufsstellen künftig eine elektronische Information über Allergene, Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe erlaubt, sofern diese Auflistung für die Kunden unmittelbar und leicht zugänglich ist. Diese muss nicht mehr in Papierform erfolgen. Um dies rechtlich umzusetzen, bringt die Bundesregierung eine „Rechtsverordnung zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ auf den Weg. Die Verordnung wurde am 9. Oktober vom Bundeskabinett beschlossen und dient der Flankierung des am 26. September 2024 vom Bundestag verabschiedeten Bürokratieentlastungsgesetzes IV (BEG IV). Die Regelung dieser Entlastung in einer vom BEG IV gesonderten Verordnung hat ausschließlich rechtssystematische und rechtstechnische Gründe.
Hintergrund:
Seit Jahren werden in Bäckereien dicke Schnellhefter ausgelegt, in denen Zusatzstoffe und Grundzutaten der einzelnen Backwaren aufgelistet sind. Nahrungsempfindliche Kunden und Allergiker haben ein gesetzliches Recht auf Einsicht. Viele Betriebe berichten aber, dass die Informationen in der Praxis kaum nachgefragt werden und die Papiere in der Regel ungenutzt liegenbleiben.
Mit diesem Papierkram soll nun Schluss sein. Laut einem Entwurf für eine Ergänzung des Bürokratieentlastungsgesetzes will die Bundesregierung nun zigtausende Verkaufsstellen von Lebensmitteln von der Listenpflicht befreien, wenn sie Informationen über Zutaten und mögliche Allergene digital zugänglich machen. Betroffen sind laut Regierungsentwurf unter anderem 45.000 Verkaufsstellen von Bäckereien.
Unklar ist bei der praktischen Umsetzung der neuen Verordnung allerdings noch, ob in den Betrieben ein Dokument auf einer Internetseite und ein Link mit einem sogenannten QR-Code für den schnellen Zugriff per Handy ausreichen wird, um im Falle einer Prüfung von Behördenkontrolleuren der neuen Regelung Genüge zu tun. Denn das Bundesjustizministerium geht in der Erläuterung des Verordnungsentwurfs davon aus, dass jede Verkaufsstelle einen eigenen Tablet-Computer anschaffen müsse, wenn sie auf die Papierform verzichten wolle. Denn der geplante neue Paragraf der „Lebensmittelinformationsdurchführungsverordnung“ schreibt vor, dass eine „schriftliche oder elektronische Aufzeichnung für die zuständige Behörde und auf Nachfrage auch für die Endverbraucher leicht zugänglich ist“. Das Justizministerium erwartet, dass 20.000 Betriebe der Lebensmittelbranche vom bisherigen Papierordner auf oder unter der Ladentheke auf das digitale Modell umsteigen wollten. Für viele andere Betriebe sei die elektronische Umrüstung zu teuer, zu unpraktisch, oder es werde ein Diebstahl der Tablets befürchtet. Die Bundesregierung rechnet damit, dass nun bundesweit Tablet-Computer im Wert von rund 11,6 Millionen Euro neu angeschafft werden.
- Die Nachweispflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der wesentlichen Vertragsbedingungen darf künftig per E-Mail erfüllt werden. Darüber hinaus wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Bundestag durch weitere Maßnahmen zu Formerleichterungen ergänzt. Dies betrifft beispielsweise die Einführung der Textform im Genossenschaftsrecht oder bei Verträgen zwischen Ver- und Entleiher nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Eine Übersicht über die Neuerungen, die das BEG IV im Bereich des Arbeits-, Sozial-, Vereins- und Gesellschaftsrechts mit sich bringt und der Sie weitere Einzelheiten entnehmen können, ist unterhalb beigefügt.
Bewertung:
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV und die mit ihm beschlossenen Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir begrüßen die neue Regelung, dass ab kommendem Jahr Zutatenlisten nicht mehr ausgedruckt im Verkaufsraum vorliegen müssen. Das erspart dem Personal immerhin ein wenig Arbeit, da im Handwerk Rezepturen nicht konstant gleichbleiben. Auch die Option, Arbeitsverträge künftig per E-Mail abschließen zu können, entlastet Mitarbeiter und Betriebsinhaber.
Angesichts der insgesamt geringen Entlastungswirkung der oben genannten Maßnahmen, der nach wie vor erheblichen bürokratischen Belastung von Handwerksbetrieben im betrieblichen Alltag, der hierdurch entstehenden Wettbewerbsnachteile, der Vielzahl an Entlastungsvorschlägen, die nicht aufgegriffen wurden und dem Aufbau neuer Bürokratie durch Gesetze wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz reichen die Entlastungen, die das BEG IV und die ergänzende Verordnung mit sich bringen, jedoch bei weitem nicht aus. Sie bleiben hinter den Entlastungsnotwendigkeiten und -Möglichkeiten zurück und können nur Auftakt für weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau sein. Es müssen nun zügig weitere entschlossene Schritte folgen, um die mittelständische Wirtschaft spürbar zu entlasten.
An dieser Einschätzung vermag auch der vom Bundestag beschlossene Entschließungsantrag nichts zu ändern, mit dem die Bundesregierung zur Prüfung weiterer Erleichterungen aufgefordert wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Bundesregierung infolge zahlreicher Verbändeabfragen sämtliche Aspekte des Entschließungsantrags bekannt sind und diese keine Berücksichtigung im BEG IV gefunden haben.
Ungeachtet des ernüchternden BEG IV sollten weitere punktuelle Entlastungsmaßnahmen, die beispielsweise im Rahmen verschiedener Praxis-Checks mit Beteiligung des Lebensmittelhandwerks beleuchtet wurden, konsequent weiterverfolgt und umgesetzt werden.
Des Weiteren sollte alles dafür getan werden, dass nicht neue, weitere Bürokratie entsteht. Gesetzesvorhaben und Regelungen, die weitere Belastungen mit sich bringen, wie etwa das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die EU-Entwaldungsverordnung oder die Einführung weiterer Berichtspflichten müssen unverzüglich gestoppt werden. Deutschland braucht in der aktuellen wirtschaftlichen Lage ein Bürokratie-Moratorium und Deregulierung und nicht weitere bürokratische Fesseln.
Das vom Bundestag verabschiedete BEG IV in der Fassung der vom Rechtsauschuss vorgelegten Beschlussempfehlung ist unterhalb beigefügt. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.
Die „Rechtsverordnung zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ ist in Form einer Synopse unterhalb beigefügt. Sie bedarf der Zustimmung des Bundesrats. Dieser wird voraussichtlich in seiner Sitzung am 18. Oktober 2024 die Verordnung zusammen mit dem BEG IV behandeln.
Über die weitere Entwicklung werden wir Sie informieren.
Stand: 10. Oktober 2024