Dazu hatte der Zentralverband zu Beginn der Sondierungsgespräche ein Forderungspapier mit fünf Punkten erstellt, die für das Bäckerhandwerk von besonderer Relevanz sind und an die Teilnehmer der Sondierungsverhandlungen übermittelt. Ziel war es, dass diese fünf Punkte in den laufenden Gesprächen Gehör finden und idealerweise in einen möglichen Koalitionsvertrag sowie in die Politik einer neuen Bundesregierung einfließen. Das Forderungspapier finden Sie unterhalb beigefügt.
Am 8. März 2025 haben CDU/CSU und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vorgestellt. Sie finden diese unterhalb beigefügt.
Bewertung des Zentralverbandes:
Der Verband begrüßt den zügigen Abschluss der Gespräche, der für den Willen der Verhandlungspartner spricht, schnell zu einer handlungsfähigen Regierung zu kommen. Positiv ist: Das Sondierungspapier greift zahlreiche Forderungen unseres Zentralverbandes aus dem 5-Punkte-Papier sowie aus den Forderungen des Zentralverbandes zur Bundestagswahl auf.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch erheblichen Korrekturbedarf, vor allem bei der notwendigen Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme, bei der angedachten Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro sowie bei der Finanzierung der geplanten Investitionen in die Infrastruktur durch neue Staatsschulden.
Nachfolgend finden Sie eine erste kursorische Bewertung der Inhalte des Sondierungspapiers aus Sicht des Zentralverbandes:
Welche zentralen ZV-Forderungen wurden berücksichtigt? Welche Ergebnisse sind für Betriebe positiv?
Energiekosten: Die Sondierer kündigen an, die Energiepreise dauerhaft abzusenken. Um schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh zu erreichen, wollen sie in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken, die Übertragungsnetzentgelte halbieren und den Ausbau des Stromnetzes zügig, zielgerichtet und kosteneffizient vorantreiben. Des Weiteren wollen sie das Energieangebot erhöhen, den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 anreizen und bekennen sich zum Ziel dauerhaft niedriger, planbarer und international wettbewerbsfähiger Energiekosten.
Bürokratieabbau: Überbordende Bürokratie soll zurückgebaut werden, etwa durch die Abschaffung von Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten sowie durch die signifikante Reduzierung der Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten.
Reform des Steuerrechts: Die Umsatzsteuer für Speisen soll dauerhaft auf sieben Prozent reduziert werden, um Gastronomie und Verbraucher zu entlasten. Es wird eine Unternehmenssteuerreform angekündigt. Des Weiteren soll die breite Mittelschicht durch eine Einkommensteuerreform entlastet und die Pendlerpauschale erhöht werden.
Investitionen: Union und SPD kündigen an, sofort nach Regierungsübernahme spürbare Anreize für unternehmerische Investitionen in Deutschland zu setzen (Offen ist, ob dies in Form beschleunigter Abschreibungen und damit schnell umsetzbar und unbürokratisch erfolgen soll oder als Investitionsprämie mit Antragsbürokratie und ggf. europarechtlichen Risiken).
Reform des Bürgergeldsystems: Vermittlung in Arbeit und das Prinzip des Förderns und Forderns sollen zukünftig wieder im Vordergrund stehen.
Bekenntnis, die Leistung der hart arbeitenden Menschen anzuerkennen: Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, sollen steuerfrei gestellt werden. Es sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, damit sich freiwilliges, längeres Arbeiten mehr lohnt. Aber: Dass bereits tarifliche Arbeitszeit, ab der 34. Zeitstunde generell als Mehrarbeit eingestuft werden soll, ist kontraproduktiv und unterläuft die Tarifautonomie der Sozialpartner, die branchenspezifisch teils höhere Wochenarbeitszeiten vereinbart haben.
Fachkräftesicherung: Die frühe Berufsorientierung soll gestärkt werden.
Ausbildungsreife: Der Kompetenzerwerb in Lesen, Schreiben, Rechnen und Kommunizieren soll gesichert werden.
Zuwanderung: Union und SPD bekennen sich zur arbeitsmarktgesteuerten Einwanderung.
Wo in den Koalitionsverhandlungen nachgebessert werden muss:
Umfassende Haushaltskonsolidierung: Union und SPD wollen Investitionen in die Infrastruktur vornehmen und diese durch ein 500 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen, das heißt durch neue Schulden in dieser Höhe, finanzieren. Dazu soll kurzfristig das Grundgesetz geändert werden. Vorrangig müßten demgegenüber zunächst Einsparungen im Haushalt vorgenommen werden, die aber unkonkret bleiben. Es braucht eine umfassende Haushaltskonsolidierung. Die bisherige „Haushaltslücke" in diesem Bereich muss durch Einsparungen und nicht durch neue Schulden geschlossen werden.
Reform des Sozialrechts: Es fehlt die Ankündigung, dass der Gesamtsozialversicherungsbeitrag gesenkt und bei unter 40 Prozent stabilisiert werden soll. Auch notwendige beitragssatzsenkende Reformen in einzelnen Sozialversicherungszweigen wie der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung werden nicht in Aussicht gestellt. Im Gegenteil: Mit den rentenpolitischen Plänen im Sondierungspapier drohen weitere massive Belastungen der Beitragszahler.
Mindestlohn: Durch eine Änderung der Kriterien der Mindestlohnfindung wird in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission eingegriffen. Hierdurch soll offenbar ein Mindestlohn in Höhe von 15,00 Euro im Jahr 2026 erreicht werden. Dies ist aus Sicht des ZV völlig inakzeptabel. Wir fordern dringend, hiervon Abstand zu nehmen, wenigstens aber den Zeitpunkt einer solchen Mindestlohnanhebung bis mindestens 2028 zu verschieben, um eine ansonsten drohende Überforderung von Betrieben zu vermeiden. Die Festlegung der Mindestlohnhöhe obliegt allein der Entscheidung der Mindestlohnkommission. Politische Einmischungen und Zielvorgaben müssen unterbleiben.
Arbeitszeitrecht: Union und SPD wollen die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Arbeitszeit zu schaffen. Dies muss dringend auch die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen einschließen.
Bundestariftreuegesetz: Es soll ein Bundestariftreuegesetz geschaffen werden. Ein solches Gesetz dürfte die Bürokratie für Betriebe ausweiten, die Aufträge des Bundes z.B. für Kantinen anstreben. Zwingend ist, dass es auch für die kleinen Betriebe des Bäckerhandwerks handhabbar ist und die Tarifautonomie respektiert.
Es fehlt ein Bekenntnis zum Verzicht auf Steuererhöhungen (Umsatzsteuer, Erbschaftsteuer etc.) oder die Neueinführung von Steuern (Vermögensteuer, bundeseinheitliche Verpackungssteuer).
Der angekündigte „Einstieg" in eine Unternehmenssteuerreform ist zu wenig. Schon um die Schuldentragfähigkeit angesichts von Sondervermögen/Schuldenbremsenreform zu erhalten, muss ein Fokus auf der Stärkung der Wirtschaft liegen. Dafür ist eine umfassende Unternehmenssteuerreform unerlässlich. Diese muss eine rechtsformneutrale Ertragsbesteuerung für KMU einschließen.
Für eine Stärkung der beruflichen Bildung fehlen eine gesetzliche Verankerung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, der weitere Ausbau des AFBG und die Förderung der überregionalen Mobilität von Auszubildenden.
Diese Bewertungen stehen unter dem Vorbehalt der aktuell sich schnell verändernden Lage. Für die Finanzierung der von Union und SPD geplanten Investitionen in die Infrastruktur müßte das Grundgesetz geändert werden. Hierfür wäre die Zustimmung der Grünen erforderlich, die jedoch aktuell ungewiss ist. Über weitere Entwicklungen werden wir informieren.
Die Politik ist gefordert, zügig zu handeln. Gerade angesichts der äußeren, inneren und wirtschaftlichen Herausforderungen kommt es auf schnelles, entschlossenes Handeln an.
Der Zentralverband wird sich für Nachbesserungen in den nun beginnenden Koalitionsverhandlungen einsetzen, insbesondere zu den Themen Mindestlohn, Strukturreformen der Sozialversicherungssysteme und Arbeitszeitrecht.