Ausnahmen gelten für Kleinstunternehmen oder wenn die Einhaltung der neuen Anforderungen zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) stellt auf einer Sonderseite die Vorschriften umfassend dar. Wir haben die für die Betriebe des Bäckerhandwerks wichtigsten Fragen nachfolgend zusammengestellt:
Warum macht der Gesetzgeber neue Vorschriften?
Durch die Vorgaben zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen soll die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Wirtschaftsleben gestärkt werden. Ziel der neuen Regelungen ist es, unter anderem bestimmte Online-Angebote barrierefrei zu gestalten, so dass sie auch für Menschen mit Einschränkungen des Sehens, des Hörens, der Motorik oder kognitiven Beeinträchtigungen zugänglich sind und ohne Erschwernis genutzt werden können.
Daraus folgen einerseits neue Anforderungen zum Beispiel an Webshops. Anderseits werden auch die Grenzen der Regelung aufgezeigt: Wenn es nicht um die Teilhabe am Wirtschaftsleben geht oder ein Produkt bereits barrierefrei ist, drohen keine neuen Anforderungen.
Wer hat das beschlossen?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde am 16. Juli 2021 beschlossen. Es setzt die EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA) um. Diese basiert wiederum auf den bereits seit 1999 bestehenden Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und ISO- sowie EN-Normen.
Die Grundsätze gelten also schon länger als das Gesetz existiert. Sie dürften also in vielen Webshops bereits berücksichtigt sein.
Sind nur Unternehmen betroffen?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betrifft tatsächlich nur gewerbliche Anbieter. Öffentliche Einrichtungen wie Behörden usw. hatten nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und verschiedener Landesgesetze, die aufgrund einer Richtlinie von 2016 erlassen wurden, schon bisher die Pflicht, beispielsweise ihre Internet-Seiten barrierefrei zu gestalten.
Welche Produkte und Dienstleistungen sind betroffen?
Das Gesetz enthält einerseits Vorgaben für Hersteller zur barrierefreien Gestaltung bestimmter Produkte. Produkte des Bäckerhandwerks fallen nicht darunter. Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz Betreiber von Webseiten zur barrierefreien Gestaltung des Webauftritts, sofern darauf sogenannte B2C-E-Commerce-Angebote dargestellt werden. Das betrifft also im Bäckerhandwerk
- den Online-Verkauf von Backwaren und
- die Bestellung von Catering-Leistungen oder anderen Dienstleistungen.
Für wen gelten Ausnahmen?
Es gibt keine allgemeine Ausnahme für Handwerksbetriebe. Aber es gibt zwei Ausnahmen, die für Handwerksbetriebe greifen können:
Sogenannte Kleinstunternehmen sind vom Anwendungsbereich der neuen Vorschriften ausgenommen. Als Kleinstunternehmen gelten laut Gesetz Unternehmen, wenn sie
- weniger als zehn Personen beschäftigen und
- entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder wenn ihre Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.
Die zweite Ausnahme ist unkonkreter und mit bürokratischem Aufwand verbunden:
Handwerksbetriebe, bei denen die Einhaltung der neuen Anforderungen zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, sind ausgenommen, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Kostenanalyse anhand einer Selbstbeurteilung mittels der Anlage 4 zum BFSG.
- Dokumentation der Selbstbeurteilung und Aufbewahrung für fünf Jahre.
- Erneute Selbstbeurteilung und Dokumentation mindestens alle fünf Jahre oder im Falle neuer B2C-E-Commerce-Angebote.
- Unterrichtung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde über die Berufung auf eine unverhältnismäßige Belastung.
- Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde: Vorlage der Selbstbeurteilung.
Muss die gesamte Internetseite barrierefrei sein?
Wenn die Internetseite B2C-E-Commerce-Angebote enthält, muss voraussichtlich nicht die gesamte Internetseite in allen Bereichen barrierefrei sein. Man muss nur sicherstellen, dass alle Schritte barrierefrei sind, die ein typischer Verbraucher machen muss, um zum Beispiel den Webshop zu erreichen. Das schließt also auch die Startseite (Home), Anmeldung (Login), Site-Übersicht (Sitemap), Kontakt, Hilfeseiten und Hilfefunktionen sowie Seiten mit rechtlichen Informationen ein.
Bereiche, in denen zum Beispiel die Historie des Unternehmens beschrieben oder der Filialleiter vorgestellt wird, müssen voraussichtlich nicht barrierefrei sein.
Wie muss eine barrierefreie Website gestaltet sein?
Webseiten sind so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Betroffene Betriebe sollten das Thema Barrierefreiheit mit ihrem Webseitendienstleister besprechen. Dieser kann die entsprechenden technischen Anforderungen auf der Webseite anhand der aktuellen Version der Norm EN 301 549 und dem WCAG-Standard umsetzen.
Der ZDH hat hierzu auf seiner Seite unter den Nummern 9 bis 11 die wichtigsten Punkte ausführlich beschrieben.
Müssen auch Kontaktformulare für Kunden und Bewerber barrierefrei sein?
Nein, mit wenigen Ausnahmen. Kontaktformulare, Chat-Bots oder sonstige Kontaktinformationen dienen in der Regel zur allgemeinen Erstkontaktaufnahme und zielen nicht auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags ab, denn üblicherweise sind mehrere Zwischenschritte notwendig, um in konkrete Vertragsverhandlungen zu treten. Das gilt erst recht für die Anbahnung eines Beschäftigungsvertrages.
Zusammenfassung:
Betriebe des Bäckerhandwerks mit 10 und mehr Beschäftigten, die einen Webshop oder ähnliches betreiben, müssen bis zum 25. Juni 2025 ihre Internetseite so überarbeiten, dass sie insbesondere auch von seh- und hörbehinderten Kunden bedient werden können.
Stand: 14. Mai 2025