Das Landgericht Berlin hat mit einem Urteil entschieden, dass sich die Mehrwegangebotspflicht nur auf den Becher, nicht jedoch auch auf den Deckel bezieht. Ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband hatte gegen eine Bäckerei, die entsprechend den Vorschriften des Verpackungsgesetzes neben Einweggetränkebechern auch Mehrwegbecher anbot. Der Umweltschutzverband behauptet, dass eine Testkäuferin in drei Fällen zwar einen Mehrwegbecher, aber jeweils nur Einwegdeckel zu diesen Bechern erhalten habe. Der Verband behauptete, dass die Bäckerei damit gegen die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegangebotspflicht verstoßen habe und mahnte die Bäckerei erfolglos ab. Auch die anschließende Klage blieb erfolglos.
Der Verband berief sich ausdrücklich auf den „Leitfaden zur Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht nach §§ 33, 34 Verpackungsgesetz“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA). In diesem wird festgestellt, dass Einweggetränkebecher und ihre Deckel unabhängig vom Material, aus dem sie bestehen, von §§ 33 und 34 VerpackG erfasst werden. Daher sei die Verbindung eines Mehrwegegetränkebechers mit einem Einwegdeckel unzulässig.
Das Landgericht Berlin entschied jedoch, dass sich die Pflicht nach § 33 VerpackG, eine Mehrwegalternative anzubieten, nicht auf den Deckel bezieht. Dieser ist kein Teil des Bechers und auch keine Verpackung im Sinne des Gesetzes. Zu dem LAGA-Leitfaden, der zu einem anderen Ergebnis kommt, stellt das Gericht wörtlich fest: „Auf die Auslegung der Vorschrift durch Verwaltungsbehörden (…) kann es nicht entscheidend ankommen. Insbesondere sind Gerichte hieran nicht gebunden.“
LAGA-Leitfaden für Gerichte nicht bindend
Wir hatten bereits mit Newsletter Krusten & Krumen von Juni 2023 auf den LAGA-Leitfaden hingewiesen und bemerkt, dass wir verschiedene Feststellungen der Arbeitsgemeinschaft für unsachgemäß und falsch halten. Das gilt insbesondere für Deckel, die zu Bechern angeboten werden. Zusammen mit dem Lebensmittelverband Deutschland hatten wir in den „FRAGEN & ANTWORTEN zur Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht nach §§ 33, 34 Verpackungsgesetz“ sowie ergänzenden „Aktuellen Hinweise des Lebensmittelverbands zur Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht nach §§ 33 und 34 Verpackungsgesetz“ unsere Kritik an den Ergebnissen der LAGA geäußert. Das Landesgericht Berlin hat unsere Rechtsauffassung nun bestätigt.
Wie geht es jetzt weiter?
Es ist noch nicht bekannt, ob der Umwelt- und Verbraucherschutzverband gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen wird. Auszuschließen ist es allerdings nicht. In der nächsten Instanz könnte die Entscheidung also auch aufgehoben werden.
Die Mitarbeiter der Verwaltung sind vorerst weiterhin an den LAGA-Leitfaden gebunden. Es ist also nicht auszuschließen, dass Bäckereien, die weiterhin nur Mehrwegbecher, aber keine Mehrwegdeckel anbieten, ermahnt oder gar mit einem Bußgeld belegt werden. Betroffene Betriebe sollten hiergegen sofort rechtlich vorgehen und das Ruhen des Verfahrens beantragen, bis eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist.
Sollten sich Kunden oder Verbraucherschützer über fehlende Mehrwegdeckel beschweren, empfehlen wir den Verweis auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin II Kammer für Handelssachen, Urteil vom 4. Juni 2024, Aktenzeichen 102 O 58/23.
Wer sichergehen will, keine Auseinandersetzung mit den Behörden oder Umweltschützern zu haben, wird vorerst auch Mehrwertdeckel anbieten müssen.
Stand: 8. Oktober 2024