Sommerzeit ist Wespenzeit. Manche Bäckereitheken werden im Sommer förmlich von Wespen überfallen und sind scheinbar durch nichts von ihren Lieblingsspeisen abzuhalten. Sie finden jede noch so kleine Lücke in einem scheinbar per Glastür oder Netz verschlossenen Verkaufstresen und lassen sich auch nicht von Insektenlampen oder Duftsprays vertreiben. Und das Töten von Wespen ist (von wenigen Ausnahmen abgesehen) unter Strafe gestellt. Die meisten Verkaufsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wissen zwar, wie sie erfolgreich Stiche vermeiden können, aber „Missverständnisse“ zwischen Mensch und Wespe können nie vollständig ausgeschlossen werden.
Und dann gibt es schließlich noch das Problem, ob die Bäckerei ein Stück Kuchen, auf dem eine Wespe saß, überhaupt noch verkauft werden darf. Manchen Kunden stören kleine Fraßlöcher im Schinken und es soll sogar schon Lebensmittelkontrolleure gegeben haben, die meinten, ein Stück Pflaumenkuchen, an dem eine Wespe genascht hat, dürfe nicht mehr verkauft werden.
Kann man im Sommer nur noch Brot und unbelegte Brötchen verkaufen?
Selbstverständlich dürfen Sie auch in der Wespenzeit Kuchen und Wurstbrötchen verkaufen. Nur in Extremfällen gibt es Einschränkungen.
Im Sommer legt eine Wespenkönigin pro Tag mehrere hundert Eier. Und ihr Volk muss ausschwärmen, um diese gut zu versorgen. Dafür haben sie nur wenig Zeit und deshalb stürzen sie sich förmlich auf Proteinhaltiges wie Wurst und Schinken für den Nachwuchs und Süßes für sich selbst.
Als Lebensmittelunternehmer muss auch der Bäcker alles Erforderliche dafür tun, dass die hergestellten und verkauften Lebensmittel sicher sind. Für die Produktion ist zum Beispiel vorgeschrieben, dass Fenster grundsätzlich verschlossen sein müssen, mindestens aber mit einem geeigneten Gitter gegen Insekten geschützt sind.
Anhang II, Kap. II, Nr. 1 d) der Verordnung 852/2004: „Fenster und andere Öffnungen müssen so gebaut sein, dass Schmutzansammlungen vermieden werden. Soweit sie nach außen öffnen können, müssen sie erforderlichenfalls mit Insektengittern versehen sein, die zu Reinigungszwecken leicht entfernt werden können. Soweit offene Fenster die Kontamination begünstigen, müssen sie während des Herstellungsprozesses geschlossen und verriegelt bleiben.“
Für den Verkauf gibt es eine vergleichbare Vorschrift nicht. Hier gilt, dass der Unternehmer alles zu tun hat, was möglich ist. Unmögliches wird nicht verlangt. Und in der Wespenzeit ist es tatsächlich unmöglich, alle Wespen aus dem Verkaufstresen fernzuhalten. Es könnte jedoch verlangt werden, dass man es den Wespen zumindest etwas schwerer macht, an ihre Lieblingsspeisen zu kommen: zum Beispiel durch Glasschiebetüren am Tresen, Netzhauben auf dem Kuchen oder einer Reduzierung der im Tresen ausgestellten Ware.
Behauptet der Lebensmittelkontrolleur, dass ein Kuchen durch Wespenfraß nachteilig beeinflusst ist, also so kontaminiert ist, dass es für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet ist, muss er dies konkret nachweisen. Die pauschale Behauptung, dass ein angenagtes Stück Pflaumenkuchen nicht mehr in den Verkauf kommen kann und wegzuschmeißen ist, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.
Was sagen die Kunden?
Die meisten Kunden haben Verständnis dafür, dass auch ihr Bäcker nicht das schafft, was sie auf ihrer Terrasse nicht schaffen – nämlich alle Wespen zu vertreiben. Daher beklagt sich wohl nur höchst selten ein Kunde über Wespen im Verkaufstresen. Anders mag es sein, wenn der süße Tortenguss wie eine Kraterlandschaft aussieht. Das werden manche Kunden nicht mehr akzeptieren. Und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich, wenn sie durch geeignete Maßnahmen die Zahl der Wespen geringhalten können.
Stand: 9. August 2023