Manche schmuggeln sie über die Grenze, manche machen sie nach, andere erfinden neue Varianten. Kunden stehen stundenlang Schlange und zahlen astronomische Preise für Dubai-Schokolade.
Dabei brauchte die Schokoladenkreation ein paar Jahre, bis sie in den sozialen Medien viral ging und weltweit zum Geldregen für seine Hersteller wurde. Das Originalrezept aus dem Jahr 2021 von Fix Dessert Chocolatiers in Dubai sieht vor, dass eine Vollmilchschokolade mit geröstetem und gehacktem Kadaifi („Engelshaar“), gehackten Pistazien bzw. Pistazienprodukten (Creme oder Paste) und Tahini (Sesampaste) gefüllt wird.
Mehrere Schokoladenhersteller haben die Dubai-Schokolade kopiert und verkaufen sie zu stattlichen Preisen von rund 15 bis hin zu 3.000 Euro je Tafel. Noch mehr Lebensmittelhersteller sind auf den Hype aufgesprungen und stellen andere Produkte nach Art der Dubai-Schokolade her: Dubai-Krapfen, Dubai-Lebkuchen, Dubai-Bratwurst. Aber darf man überhaupt Dubai-Schokolade nachmachen? Sind die Rezeptur und der Name geschützt? Müssen die Zutaten für einen Dubai-Christstollen aus Dubai stammen?
Das Ergebnis vorweg: Nichts ist klar und eindeutig. Die Juristen streiten sich und werden den Streit sicherlich erst entschieden haben, wenn schon niemand mehr mit der Dubai-Schokolade viel Geld verdient.
Schutz der Rezeptur als Patent?
Sarah Hamouda, die Inhaberin der Fix Dessert Chocolatiers, hat die Rezeptur jedenfalls nicht in Deutschland als Patent oder Gebrauchsmuster angemeldet. Die Eintragung eines Patents dauert oft mehrere Jahre, ein Gebrauchsmuster ist schneller eingetragen. Dies entspricht etwa einem Markenrecht. Eine Lebensmittelrezeptur kann zum Beispiel dann als Gebrauchsmuster angemeldet werden, wenn „unübliche Ausgangsprodukte oder nicht übliche Mischungen von Ausgangsprodukten (auch Gewürzen) eingesetzt werden, mit denen ein nicht vorhersehbarer Effekt erzielt wird“. Die Verwendung von Tahini kennen wir in Europa allenfalls als Grundlage für Hummus. In einer Schokolade ist es eher ungewöhnlich. Pistazie oder Gebäck sind dagegen als Füllung für Schokolade nicht ungewöhnlich. Und angesichts der ausufernden Varianten im Schokoladenregal darf bezweifelt werden, dass eine solche Rezeptur als Gebrauchsmuster eingetragen wird.
Schutz der Rezeptur als Urheberrecht?
An einer Rezeptur kann man ein Urheberrecht erwerben. Dabei wird mehr verlangt als nur das Notieren der Zutaten und der Herstellungsweise. Wird es mit Hintergrundgeschichten ummalt, kann es die Schöpfungshöhe erreichen, die das Urheberrechtsgesetz verlangt. An der Kreation selbst kann kein Urheberrecht erworben werden, da geschmackliche Kreationen im Urheberrechtsgesetz nicht erfasst werden.
Schutz des Namens als Marke?
Beim Patent- und Markenamt (DPMA) ist der Begriff “Dubai-Schokolade” gleich mehrfach angemeldet worden. In drei Fällen wird der Begriff zusammen mit einem Unternehmensnamen verwendet (zum Beispiel “Madame Chéri Dubai Schokolade”). Eine solche Marke verhindert nur, dass jemand anders diesen Namen verwendet. Der Markenbestandteil “Dubai Schokolade” wird dadurch nicht geschützt.
Eine Markenanmeldung bezieht sich ausschließlich auf Wein und andere alkoholische Getränke (Klasse 33), eine auf Tabak und andere Rauchwaren (Klasse 34). Auch diese Anmeldungen hindern niemanden daran, eine eigene Dubai-Schokolade auf den Markt zu bringen. Bei einer Markenanmeldung vermerkt das DPMA selbst, dass die Unterscheidungskraft der Marke fehlt. Man darf erwarten, dass diese von Amts wegen gelöscht wird.
Auch den Namen „Dubai“ hat noch niemand erfolgreich für Lebensmittel als Marke angemeldet. Die Namen von Orten oder Ländern sind in der Regel auch nicht markenfähig, sie können also nicht eingetragen werden. Selbst wenn das Patent- und Markenamt eine solche Marke eintragen würde, gäbe es eine große Zahl von Mittbewerbern, die dagegen Widerspruch einlegen würden.
Gleiches gilt für den Schutz des Namens als Marke durch Gebrauch: Die Vielzahl von Anbietern macht es mehr als unwahrscheinlich, dass sich einer dieser darauf berufen kann, dass er die älteren Nutzungsrechte genießt.
Muss Dubai-Schokolade aus Dubai kommen?
Wer seinem Lebensmittel eine Herkunftsbezeichnung gibt, muss sicherstellen, dass die wesentliche Zutat aus der angegebenen Region stammt. Die wesentliche Zutat ist dabei die Zutat, die mehr als 50 % des Lebensmittels ausmacht oder die Verbraucher üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziieren. Das könnte bei der Füllung der Dubai-Schokolade tatsächlich der Fall sein. Zwar machen weder Engelshaar noch Pistazien oder Tahini mehr als 50 % der gesamten Schokolade aus. Aber die Füllung als zusammengesetzte Zutat dürfte wohl mehr als 50 % der Schokoladentafel ausmachen. Vor allem aber ist sie für den Kunden das wesentliche Kaufargument.
Nun ist Dubai aber weder typisches Anbaugebiet für Pistazien noch für Sesam. Vor allem aber würde ein deutscher Hersteller von Dubai-Schokolade seine hierfür benötigten Zutaten kaum aus den Vereinigten Arabischen Emiraten beziehen, sondern eher aus den USA und Myanmar. Der Hersteller könnte sich tatsächlich aus dieser rechtlichen Zwickmühle befreien, indem er auf der Vorderseite der Verpackung seiner Tafel darauf hinweist, dass die Pistazien aus den USA und die Sesamkörner aus Myanmar stammen. Der Jurist nennt das „entlokalisieren“.
Wahrscheinlicher ist es aber, dass der Name „Dubai-Schokolade“ inzwischen zu einem Gattungsbegriff geworden ist: Er beschreibt dann nicht mehr eine Herkunft, sondern ist einfach der allgemein anerkannte Name für ein Lebensmittel. So, wie die Zutaten der Schwarzwälder Kirschtorte nicht aus dem Schwarzwald kommen müssen, müssen die Zutaten einer Dubai-Schokolade eher nicht aus Dubai stammen.
Der ge- und enttäuschte Verbraucher
Darf man nun alles als Dubai-Schokolade oder Dubai-Joghurt bezeichnen? Die Grenze wird sicherlich der Verbraucher ziehen. Da ist einerseits der enttäuschte Verbraucher, der eine bestimmte Rezeptur erwartet, weil er bereits andere Dubai-Schokolade gegessen hat. Wenn er nun von Ihrer „Dubai-Schokolade“ enttäuscht ist, aber dennoch 20 Euro oder mehr für die Tafel gezahlt hat, wird er vielleicht in Zukunft auch andere Produkte Ihrer Bäckerei nicht kaufen. Und wenn die Schokolade statt einer Füllung aus drei Zutaten zum Beispiel nur Tahini-Soße enthält, könnte sich dieser Verbraucher auch getäuscht fühlen und rechtlich gegen den Hersteller vorgehen.
Aber auch hier sind die Grenzen wohl eher fließend. Einige Fleischer bieten schon gewöhnliche Mortadella mit Pistazien als Dubai-Wurst an. Wer in diesem Marketing-Scherz eine Verbrauchertäuschung sieht, liegt eindeutig falsch. Alles andere ist, wie eingangs geschrieben, offen.
Erste Abmahnung
Ein deutscher Importeur von Dubai-Schokolade hat nun unter anderem Lindt abgemahnt. Er beruft sich auf eine Markenanmeldung und darauf, dass Dubai-Schokolade aus Dubai stammen muss, weil auch Aachener Printen aus Aachen stammen. Dass es sich bei diesen um eine geschützte geografische Angabe handelt und auch ein Wiener Schnitzel nicht aus Wien kommen muss, übersieht der Importeur. Es sieht so aus, als müssten sich die Juristen doch noch entscheiden, wann eine Schokolade Dubai-Schokolade heißen darf.
Stand: 16. Dezember 2024