Direkt zur Hauptnavigation dem Inhalt oder zum Seitenfuß.

Es gibt viel zu tun - 12 Forderungen an die künftige Bundesregierung

Was das Bäckerhandwerk zur Bundestagswahl von den Parteien erwartet

Es schien, als wäre Corona fast überstanden. Zwar weiß niemand, was die Zukunft bringt und wann wir wieder in normalen Zeiten leben. Fest steht aber, dass die Pandemie im Bäckerhandwerk und in vielen anderen Wirtschaftsbereichen Blessuren hinterlassen wird.

Betriebe kämpfen seit dem Ausbruch des Virus mit Ausgaben und Investitionen, die so nicht vorhersehbar waren. Das deutsche Bäckerhandwerk hat sprichwörtlich alles gegeben, um die Menschen in Deutschland verlässlich und sicher zu versorgen – und gleichzeitig die Krise auch selbst zu überstehen. Ein enormer Kraftakt, bei dem das Bäckerhandwerk eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass es für das Miteinander in Deutschland unverzichtbar ist.

Die Herkulesaufgabe ist gelungen: Das Bäckerhandwerk hat sich in der Krise behaupten können. Darauf können die Handwerksbäcker in Deutschland zurecht stolz sein. Umso wichtiger ist es nun, dass die kommende Bundesregierung das Erreichte nicht durch neue Belastungen auf Spiel setzt und die Betriebe spürbar entlastet.

Mit anderen Worten: Es ist Zeit, aufzuräumen. Was heißt das für die Bundestagswahl 2021 konkret? Welche Themen sind die Zukunft des Bäckerhandwerks zentral? Hier lesen Sie es.
 

Top-Priorität: Schluss mit dem Bürokratiemonster! Wir wollen backen, statt verwalten.

Die Bürokratiebelastung hat unter der aktuellen Bundesregierung ein Ausmaß erreicht, das für kleine und mittelständische Unternehmen nicht länger zumutbar ist. Für viele Betriebe wirken die unnötigen Vorschriften inzwischen existenzbedrohend. Die zahlreichen Bürokratiepflichten führen mittlerweile sogar dazu, dass Betriebe aufgeben oder Inhaber keinen Nachfolger finden. Die Bereitschaft, Unternehmen zu gründen, zu übernehmen bzw. weiterzuführen, nimmt aufgrund dessen in diesem Land stetig ab, und das schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die von der Politik in den letzten Jahren gleichzeitig unternommenen Bemühungen zum Bürokratieabbau waren nicht ausreichend und kommen im betrieblichen Alltag nicht an. So kann es nicht weitergehen:

Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung unverzüglich, entschlossen und mit höchster Priorität überzogene Bürokratie abbaut, alle relevanten Gesetze kritisch prüft und ihre Mittelstandspolitik von Grund auf ändert.

Wir Bäcker fordern, dass

  • die bereits vorliegenden Vorschläge für Entlastungen des Bäckerhandwerks müssen kurzfristig und konsequent in die Tat umgesetzt werden,
  • das Prinzip „One in, two out“ konsequent gilt und eingehalten wird,
  • alle Ministerien KMU-Belastungstests anwenden,
  • bestehende Belastungen spürbar gesenkt und neue strikt vermieden werden,
  • Verbesserung der Qualität der Rechtsetzung,
  • die kleinbetrieblichen Strukturen des Handwerks besser berücksichtigt werden.

Damit das klappt, muss der Nationale Normenkontrollrat dazu befugt werden, Gesetzesvorhaben kurzfristig zu stoppen – vorübergehend oder auch ganz. Etwa dann, wenn absehbar ist, dass sie die Regel „One in, two out“ brechen oder in der Gesamtschau Belastungen für eine Branche mit sich bringen würden, die dem Ziel des Bürokratieabbaus zuwiderlaufen. Als Sofortmaßnahme müssen bürokratisch überbordende Pflichten wie zahlreiche Dokumentationspflichten im Rahmen eines Belastungsmoratoriums kurzfristig ausgesetzt und sodann konsequent gestrichen und den Betrieben so eine dringend notwendige Entlastung verschafft werden. Dies wäre ein kostenloses Konjunkturprogramm, das die neue Bundesregierung kurzfristig auf den Weg bringen könnte und sollte.

Appetit kennt keine Stechuhr. Das Bäckerhandwerk muss auch sonntags backen dürfen!

Zurzeit dürfen Handwerksbäckereien Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen für maximal drei Stunden mit der Herstellung oder dem Ausfahren von Backwaren beschäftigen. Das reicht heutzutage immer weniger aus.

Wir fordern, dass kurzfristig ein zeitgemäßes Arbeitszeitrecht geschaffen wird. Das umfasst auch eine Flexibilisierung der zulässigen Arbeitszeit in der Herstellung von Backwaren an Sonn- und Feiertagen.

Im Wettbewerb mit Tankstellen, Backshops, Lebensmitteleinzelhandel und Discountern in Bahnhöfen werden Bäckereien benachteiligt. Denn den Wettbewerbern wird ohne Beschränkung gestattet, den gesamten Sonntag über Backwaren aufzubacken. Die Frage der Produktionszeiten am Sonn- und Feiertag stellt sich für sie nicht, da lediglich vorproduzierte Tiefkühl-Teiglinge aufgebacken werden. Diese Verzerrung des Wettbewerbs muss ein Ende haben.

Keine Extrawurst für Große: Die Energiewende muss von allen bezahlt werden!

Grundsätzlich begrüßen wir die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Aber sie dürfen für die Betriebe nicht zu Kosten führen, die sie nicht mehr stemmen können.

Die Energiekosten für Handwerksbetriebe müssen sinken.

Die Energiekostenbelastungen sind für Handwerksbetriebe in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Sie treffen auch die Haushalte der Beschäftigten. Zudem kann es nicht sein, dass das Handwerk die Kosten für die Brotindustrie mitbezahlt. Der Wettbewerb wird verzerrt, weil die Brotindustrie, mit der die Handwerksbäcker konkurrieren, zum Teil von der Umlagezahlung befreit ist.

Um Betrieben die enormen Belastungen der aktuellen Energiepolitik zu erleichtern, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien aus dem Bundeshaushalt finanziert und die Finanzierung stufenweise darauf umgestellt werden. Losgehen muss es mit der Übernahme der besonderen Ausgleichsregelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in den Bundeshaushalt. Das würde der Verzerrung des Wettbewerbs ein Ende setzen. Darüber hinaus muss die Stromsteuer für Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten auf den europaweit vorgeschriebenen Mindestsatz reduziert werden.

Bäcker-Imitate stoppen und das Wort Bäckerei endlich schützen

Aktuell werden Verbraucher mitunter in die Irre geführt: Wie sollen sie auf einen Blick die Handwerksbäckereien von Wettbewerbern wie Backshops oder Tankstellen unterscheiden, solange diese Wettbewerber sich „Bäckerei“ nennen dürfen?

Der Begriff „Bäckerei“ muss effektiv geschützt werden.

Anders gesagt: Wo Bäckerei draufsteht, muss auch Bäckerei drin sein. Es ist dringend eine eindeutige gesetzliche Regelung nötig, die es Verbrauchern ermöglicht, Handwerksbäcker im Gegensatz zu Bäcker-Imitaten wie Backshops, Tankstellen und andere zu unterscheiden. Im Gegensatz zu Handwerksbäckereien backen diese Wettbewerber lediglich Industrieware auf. Dieses Marktverhalten ist unlauter und darf so nicht weitergehen.

Schluss mit dem Kennzeichnungs-Chaos!

Die aktuellen Vorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung verunsichern Handwerksbäcker und sind eine große Enttäuschung für die Betriebe.

Wir fordern für den Mittelstand klare Ausnahmen bei der Lebensmittelkennzeichnung.

Wir fordern eine klare Ausnahmeregelung für KMU wie sie das EU-Recht vorsieht. Unsere Fachverkäufer sind qualifiziert, den Verbraucher zu informieren. Sie verdienen Anerkennung und eine Aufwertung des Berufsbildes.

Beispielsweise sollten dort für alle Backwaren in Fachgeschäften Kennzeichnungspflichten entfallen und Sonderregelungen aufgehoben werden, etwa für Ladenpackungen in Selbstbedienung. Dies ist im EU-Recht auch bereits vorgesehen. Das hätte gleichzeitig den positiven Effekt, dass das Berufsbild der Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk aufgewertet würde und den Menschen in diesem hochwertigen Beruf mehr Anerkennung zukäme.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich die neue Bundesregierung bei der Europäischen Union dafür stark macht, dass die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score nicht zur Pflicht wird. Das wäre nur konsequent, denn in Deutschland hat die aktuelle Bundesregierung den NutriScore kürzlich als freiwillige Kennzeichnung eingeführt. Sprich, sie ist nicht verpflichtend – und das soll so bleiben.

Steuererhöhungen? Nein, danke. Corona belastet schon genug!

Nach der zehrenden Pandemie braucht die Wirtschaft Rahmenbedingungen für neues Wachstum. Das A und O dafür sind Entlastungen. Das Minimum ist aber:

Belastungen durch Steuern und Abgaben dürfen nicht weiter steigen.

Steuererhöhungen bremsen Wirtschaftswachstum dauerhaft. Eine Verschärfung der Erbschaftssteuer oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer kann Arbeitsplätze gefährden und ganze Unternehmen in Schieflage bringen. Hinzu kommt, dass der sogenannte Mittelstandsbauch endlich vollständig beseitigt werden muss. Das wäre ein Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit.

Bargeld zählt! Wahlfreiheit beim Bezahlen!

Kommerzielle Banken ziehen sich immer mehr aus der Versorgung und der Handhabung von Bargeld zurück. Filialen werden geschlossen, Geldautomaten abgebaut, die Möglichkeiten zum Einzahlen werden weniger, während gleichzeitig Gebühren für Verbraucher und Unternehmen, die Geld einzahlen oder ausgegeben haben möchten, steigen – teils sogar sprunghaft und drastisch. Das macht sich vor allem im unternehmerischen Mittelstand bemerkbar, der Bargeld vorhält, weil ein großer Teil seiner Kunden nach wie vor mit Bargeld zahlt, auf absehbare Zeit mit Bargeld zahlen möchte und erwartet, dass Bargeldzahlung möglich ist. Die Bargeldversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft muss daher durch gesetzgeberische Maßnahmen sichergestellt werden:

Der Zugang zu Bargeld muss sichergestellt und das Einzahlen möglich bleiben – in angemessener Entfernung für alle.

Die Gebühren für Unternehmen die für Bezug, Einzahlung und Handling von Bargeld anfallen, sollten gedeckelt werden.

Raus aus dem Antragsdschungel - Betriebsberatung und Förderungen sichern und vereinfachen

Viele Handwerksbetriebe sind allein nicht in der Lage, die Vielzahl der wirtschaftlichen und technologischen Herausforderungen zu bewerten und sich zukunftsorientiert aufzustellen. Sie brauchen einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu neutralen und passgenauen Informations- und Beratungsleistungen. Bund und Länder müssen dazu das bestehende Informations-, Beratungs- und Technologietransfernetzwerk des Handwerks stärken, ausbauen und die beihilferechtlichen Anforderungen vereinfachen. Viele Fördermöglichkeiten werden von kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben nicht in Anspruch genommen, weil ihre Voraussetzungen und das zugehörige Antragsverfahren zu kompliziert gestaltet und mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sind. Sie müssen einfacher und unbürokratisch ausgestaltet werden.

Wirtschaft in der Region gezielt fördern!

Um Investitionen in Regionen zu stärken und dort dauerhaft Arbeitsplätze zu schaffen, haben Bund und Länder schon 1969 ihre gemeinsame „GRW-Förderung“ etabliert, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Das Problem: Sie wird zwar großen Unternehmen der Brotindustrie gewährt, nicht jedoch kleinen und mittleren Handwerksbäckereien. Das stellt – ebenso wie bei der EEG-Umlage – eine staatlich verursachte Wettbewerbsverzerrung dar.

Wir fordern einen besseren Zugang für Handwerksbetriebe zur Förderung.

Insbesondere sollte in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) die 50-km-Begrenzung abgeschafft werden. Dies würde dazu beitragen, Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und die wichtige Funktion der kleinen und mittleren Handwerksbetriebe für die Sicherung und Entwicklung der Wirtschaftskraft und Nahversorgung in den Regionen unterstützen.

In Köpfe investieren, um Handwerk zu erhalten!

Bildung ist Deutschlands wichtigste Zutat. Die Handwerksbäcker fordern Bund und Länder auf, weitere Maßnahmen zugunsten der handwerklichen Bildungsstätten zu ergreifen, insbesondere Fördermittel bereitzustellen, um die technische Ausstattung und Unterbringungskapazitäten dieser Einrichtungen weiter zu modernisieren, die regionale Versorgung zu sichern und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden, Kursteilnehmer und Lehrkräfte zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um mit Herz zu backen.

Die künftige Bundesregierung sollte dringend Fehler ihrer politischen Vorgänger korrigieren. Das betrifft insbesondere die Familien- und Bildungspolitik.

Die staatliche Kinderbetreuung muss dringend ausgebaut werden.

Die staatliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten gewährleisten nicht immer eine ausreichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen bundesweit noch immer 342.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Auch personell sind viele Kindertagesstätten nicht optimal aufgestellt, Randzeiten werden nicht abgedeckt. Es müssen dringend mehr hochwertige und bezahlbare Ganztagsbetreuungseinrichtungen und -schulen entstehen.

Handwerk wieder goldenen Boden geben

Darüber hinaus ist es den Handwerksbäckern wichtig, dass die berufliche und die akademische Bildung als gleichwertig anerkannt werden und der Abiturwahn ein Ende findet. Damit das gelingen kann, ist eine konsequente, frühzeitige Berufsorientierung an allen Schulen, insbesondere an Gymnasien von zentraler Bedeutung. Diese sollte die Bandbreite an Ausbildungsberufen und deren Entwicklungs- und Karrierechancen stärker bekannt machen. Zudem erleichtert es den Handwerksbetrieben, Fachkräftenachwuchs zu sichern, wenn Azubitickets bundesweit eingeführt werden und mehr Wohnangebote für Azubis entstehen.